Pünktlich Feierabend machen – das ist für viele Beschäftigte nicht immer möglich. Überstunden gehören im Berufsleben fast schon zur Tagesordnung. Wer Glück hat, darf die Überstunden abbummeln und kann dadurch im Idealfall seinen Urlaub verlängern. Andere freuen sich über einen finanziellen Ausgleich. Nicht wenige Arbeitnehmer leisten die zusätzlichen Stunden aber für lau. Gut zu wissen, dass das Arbeitsrecht nicht alles erlaubt, was Unternehmen gerne hätten. Folgendes sollten Arbeitnehmer zum Thema Überstunden wissen.
Früher kommen, auf die Mittagspause verzichten, länger bleiben: Von Überstunden ist immer dann die Rede, wenn Beschäftigte mehr leisten, als mit dem Arbeitgeber vereinbart worden ist. Juristen unterscheiden zwischen Überstunden und Mehrarbeit. Überstunden sind die Stunden, mit denen die regelmäßige (tarifliche, betriebliche oder einzelvertraglich vereinbarte) Arbeitszeit überschritten wird. Mehrarbeit ist die Zeit, die auch die gesetzlich festgelegte Höchstarbeitszeit übersteigt (mehr dazu im Punkt 2: Überstunden und das Arbeitszeitgesetz).
Grundsätzlich sind Arbeitnehmer nicht zu Überstunden verpflichtet – es sei denn, dies ist ausdrücklich festgelegt, und zwar
im Arbeitsvertrag
In der Vergangenheit haben Arbeitgeber versucht, die Vergütung von Überstunden durch eine Klausel im Arbeitsvertrag zu verhindern. In vielen Arbeitsverträgen fand sich die Regelung: „Überstunden werden nicht gesondert vergütet, sondern sind mit dem monatlichen Gehalt abgegolten“. Diese Klausel hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 01.09.2010 (5 AZR 517/09) für unwirksam erklärt.
Der Arbeitgeber hat nur die Möglichkeit, ein gewisses Pensum an mit dem Gehalt abgegoltenen Überstunden im Arbeitsvertrag von vornherein festzulegen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer abschätzen kann, wie viel Arbeit tatsächlich auf ihn zukommt. Die nicht gesondert zu vergütende Arbeitsleistung muss daher zumindest durch eine maximale Stundenanzahl gedeckelt sein. Ein Beispiel für eine gültige Klausel wäre: „Überstunden werden nicht gesondert vergütet, sondern sind mit dem monatlichen Gehalt abgegolten, soweit sie einen Umfang von fünf Stunden pro Woche nicht überschreiten.“
Wie hoch diese im Vorwege festgelegte Überstundenanzahl sein darf, die mit dem üblichen Gehalt abgegolten ist, hat das Bundesarbeitsgericht bisher nicht entschieden. Eine bestimmte Grenze ist bisher nicht festgelegt. Als Faustregel kann jedoch gesagt werden, dass eine Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit von wöchentlich maximal zehn Prozent mit dem Monatsgehalt ausgeglichen und nicht gesondert zu vergüten ist.
Zu beachten ist dabei das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG): Die Monatsvergütung muss so hoch bemessen sein, dass unter Berücksichtigung der nach der vertraglichen Abgeltungsklausel pauschal mit abgegoltenen Überstunden der gesetzliche Mindestlohn nicht unterschritten wird.
Bei einer unwirksamen Überstundenabgeltungsklausel oder aber, wenn diesbezüglich gar nichts vereinbart ist, besteht also grundsätzlich ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden.
Es gibt aber Ausnahmen: Eine Vergütung geleisteter Überstunden lehnt der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) z.B. bei Diensten höherer Art und einer deutlich herausgehobenen Vergütung des Arbeitnehmers ab (Urteil vom 17.08.2011, 5 AZR 406/10). Ein angestellter Rechtsanwalt, der ein monatliches Bruttogehalt von 5.833 Euro erhält, kann nicht mit einer zusätzlichen Vergütung rechnen. Die Grenze zwischen „Besserverdiener“ und „Normalverdiener“, dessen Überstunden grundsätzlich auszugleichen sind, zieht das BAG bei der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Arbeitnehmer, deren Entgelt die derzeit bei 67.200 Euro pro Jahr liegende Beitragsbemessungsgrenze überschreitet, dürfen nach Auffassung der Arbeitsrichter keine gesonderte Vergütung für geleistete Überstunden erwarten.
Auch wenn Überstunden nicht im Arbeitsvertrag vereinbart wurden, können sie zulässig sein. Das ist immer dann der Fall, wenn Mitarbeiter unentbehrlich sind, weil unvorhersehbare betriebliche Notfälle vorliegen, wenn also Gefahr in Verzug ist oder die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel steht. Die Unvorhersehbarkeit ist dabei entscheidend. Das heißt: Wenn es der Chef zum Beispiel versäumt, genügend Personal einzustellen, dürfen Mitarbeiter dies nicht durch Überstunden ausbaden müssen.
Doch was ist, wenn keine unmittelbare Existenzbedrohung vorliegt, sondern ein unverhoffter Großauftrag, der ohne Überstunden nicht zu bewältigen ist? Auch bei begründeten betrieblichen Interessen sind Überstunden möglich, hat das Arbeitsgericht in Frankfurt am Main entschieden (ArbG Frankfurt/Main, Urteil vom 26.11.1998, 2 Ca 4267/98, AuR 1999, 278). Es muss jedoch zwischen den konkreten betrieblichen Interessen und der Zumutbarkeit für die Mitarbeiter abgewogen werden. Außerdem muss der Arbeitgeber die Überstunden rechtzeitig ankündigen, sodass sich die Betroffenen auf die Überstunden einstellen können. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, so muss dieser zustimmen.
Nach wie vielen Stunden ist wirklich Schicht im Schacht? Nach dem Arbeitszeitgesetz darf die wöchentliche Höchstarbeitszeit – in der Regel 48 Stunden pro Woche – nicht überschritten werden. Laut § 14 Arbeitszeitgesetz kann diese Grenze bei außergewöhnlichen Fällen überschritten werden. Im Schnitt darf die tatsächliche Arbeitszeit über sechs Monate beziehungsweise 24 Wochen hinweg acht Stunden werktäglich nicht überschreiten.
Zudem stehen Arbeitnehmern Pausen zu. Bei 6 bis 9 Stunden Arbeit pro Tag sind es mindestens 30 Minuten, bei mehr als neun Stunden 45 Minuten Pause. Damit sich Mitarbeiter auch in stressigen Phasen ausreichend erholen können, müssen zwischen zwei Arbeitseinsätzen mindestens 11 Stunden liegen. Für leitende Angestellte gilt das Arbeitszeitgesetz übrigens nicht. Sie dürfen unbegrenzt arbeiten. Als leitend gelten Angestellte, die Mitarbeiter einstellen und entlassen können, Handlungsvollmacht bzw. Prokura haben oder andere unternehmerische Aufgaben ausführen.
Sich selbst mal ein langes Wochenende gönnen oder die Urlaubskasse durch ein paar Extrastunden auffüllen: Manchmal kommen einem Arbeitnehmer Überstunden gar nicht so ungelegen. Die Voraussetzung dafür, dass tatsächlich Überstunden vorliegen, ist, dass der Vorgesetzte sie ausdrücklich angeordnet hat oder zumindest stillschweigend hinnimmt. Der Arbeitgeber muss auf jeden Fall Kenntnis von der Mehrarbeit haben. Es kann auch passieren, dass sich ein Mitarbeiter an regelmäßige Überstunden und den Gehaltszuschuss gewöhnt hat. Dennoch kann der Arbeitgeber die zusätzlichen Stunden jederzeit wieder streichen.
Sollte es zu einem Rechtsstreit kommen, so kann man sich an einem Urteil des BAG (Urteil vom 21.12.2016, 5 AZR 362/16) orientieren. Demnach genügt es, wenn ein Mitarbeiter seine Arbeitsleistung und die Arbeitszeit dokumentiert hat, um die Überstunden nachzuweisen. Darauf hat der Arbeitgeber substantiiert zu erwidern, ansonsten gilt der Sachvortrag des Arbeitnehmers als zugestanden. Um aber auf der sicheren Seite zu sein, sollten Arbeitnehmer die Überstunden-Dokumentation regelmäßig von einem Vorgesetzten unterzeichnen lassen. Am einfachsten ist es natürlich, wenn es in der Firma ein System zur Zeiterfassung gibt.
Wie mit Überstunden umgangen wird, ist ebenfalls im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Einzelvereinbarung festgeschrieben. Bis zu einem gewisses Maß (siehe Punkt 1.2 Überstunden im Arbeitsvertrag) können Beschäftigte auch völlig leer ausgehen und keinen Ausgleich für die geleistete Mehrarbeit erhalten.
Mal länger im Bett bleiben und früher Feierabend machen, um mehr Zeit mit der Familie zu verbringen: Wer Überstunden aufgebaut hat, kann im Idealfall an anderer Stelle etwas Freizeit rausschlagen. Dies ist meist in Firmen der Fall, die mit Zeiterfassungssystemen arbeiten. Allerdings können Mitarbeiter nicht selbst bestimmen, wann sie die Überstunden abbummeln. Der Arbeitgeber hat hier ein Wörtchen mitzureden und Mitarbeiter zum Beispiel dann nach Hause schicken, wenn im Betrieb gerade Leerlauf herrscht. Allerdings sind Vorgesetzte angehalten, die persönlichen Belange der Arbeitnehmer ausreichend zu berücksichtigen.
Wenn nicht anders vereinbart, werden Überstunden wie gewöhnliche Arbeitsstunden vergütet. Bei vereinbarten Überstundenzuschlägen sind je nach Tageszeit und Ausmaß der Überstunden Zuschläge von 15 bis 40 Prozent üblich. Einen solchen Zuschlag muss der Arbeitgeber aber nur zahlen, wenn ein solcher Zuschlag im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag geregelt ist. Bei Teilzeitbeschäftigten fallen zuschlagspflichtige Überstunden erst dann an, wenn die Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten erreicht hat. Hat der Teilzeitbeschäftigte beispielsweise eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden und beträgt die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten regelmäßig 40 Stunden, so fallen die Zuschläge erst ab der 40. Arbeitsstunde für den Teilzeitbeschäftigten an.
Wenn nicht anders vereinbart, werden Überstunden wie gewöhnliche Arbeitsstunden vergütet. Bei vereinbarten Überstundenzuschlägen sind je nach Tageszeit und Ausmaß der Überstunden Zuschläge von 15 bis 40 Prozent üblich. Einen solchen Zuschlag muss der Arbeitgeber aber nur zahlen, wenn ein solcher Zuschlag im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag geregelt ist. Bei Teilzeitbeschäftigten fallen zuschlagspflichtige Überstunden erst dann an, wenn die Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten erreicht hat. Hat der Teilzeitbeschäftigte beispielsweise eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden und beträgt die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten regelmäßig 40 Stunden, so fallen die Zuschläge erst ab der 40. Arbeitsstunde für den Teilzeitbeschäftigten an.
Ja. Falls die Arbeitszeit im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich von Montag bis Freitag festgelegt wurde, darf er das. Dann hat der Arbeitgeber nämlich das Recht, die Arbeitszeit so zu verteilen, wie es den betrieblichen Erfordernissen am besten entspricht. Aus rechtlicher Sicht ist der Samstag ein Werk- und Arbeitstag. Mit Überstunden hat Samstagsarbeit daher erst einmal nichts zu tun. Es sei denn, durch die Samstagarbeit wird insgesamt mehr gearbeitet, als im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist. Dann liegen Überstunden vor, die entsprechend ausgeglichen werden müssen.
An Sonn- und Feiertagen dürfen Mitarbeiter grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Das regelt § 10 des Arbeitszeitgesetzes. Aber auch hier ist die Liste der Ausnahmen lang. Ausgeschlossen sind zum Beispiel Not- und Rettungsdienste, die Feuerwehr, Berufe zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Gastronomie, musische und künstlerische Berufe, der Medienbereich, die Landwirtschaft, Berufe im Verkehr oder in der Lebensmittelbranche. In der Produktion ist Sonntagsarbeit dann erlaubt, wenn durch die Arbeitsunterbrechung an diesem Tag mehr Arbeitnehmer eingesetzt werden müssten, als es bei durchgehender Produktion der Fall wäre.
Nein. Falls der Überstundenabbau mit dem Arbeitgeber vereinbart worden ist, ist dies nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19.11.2015 (5 Sa 342/15) nicht möglich. In dem konkreten Fall ging es um einen Industriemechaniker, der zum Überstundenabbau von seinem Arbeitgeber bezahlt von der Arbeit freigestellt wurde. Während dieser Zeit wurde der Mann krank. Seine Überstunden wurden trotzdem gekürzt, er klagte und verlor. Der Grund: Bei der durch Überstunden gewonnen Freistellung liegt das Risiko beim Arbeitnehmer, die Zeit nicht wie geplant nutzen zu können. Anders ist das bei bezahltem Urlaub. Wird ein Mitarbeiter in diesem Zeitraum krankgeschrieben, kann er sich die Urlaubstage zurückholen.
Es kommt darauf an. Streng genommen liegen nur dann Überstunden vor, wenn der Arbeitgeber sie anordnet. Dies ist auch dann der Fall, wenn er davon weiß und sie stillschweigend hinnimmt. Auch wenn er so viel Arbeit anordnet, dass das Pensum nur durch Mehrarbeit zu schaffen ist, liegen in der Regel Überstunden vor. Im Zweifelsfall sollte aber jeder Arbeitnehmer seinen Vorgesetzen informieren und sich die zusätzlichen bestätigen lassen.
Überstunden, die Sie bis zum Ausscheiden aus dem Unternehmen nicht abbauen konnten, muss der Arbeitgeber auszahlen. Vorsicht: Legt Ihnen Ihr Vorgesetzter eine Ausgleichsquittung vor, so verzichten Sie mit Ihrer Unterschrift auf alle Ansprüche.
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