Die Gefährdungsbeurteilung: Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren und Belastungen zum Thema machen

Die Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) ist der Dreh- und Angelpunkt des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die Gefährdungsbeurteilung ist als regelmäßig zu wiederholende Bestandsaufnahme der Sicherheits- und Gesundheitssituation im Betrieb zu verstehen.

Die Gefährdungsbeurteilung ist ein Instrument, um

  • den Handlungsbedarf bei allen Fragen der betrieblichen Sicherheit und Gesundheit systematisch zu identifizieren;
  • Arbeitsschutzmaßnahmen systematisch betriebsbezogen zu entwickeln und zu treffen;
  • die Wirksamkeit des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes systematisch zu überprüfen;
  • die Arbeitsbedingungen kontinuierlich zu verbessern.

Für die betriebliche Interessensvertretung ist die Gefährdungsbeurteilung der Hebel, um Sicherheit und Gesundheit auch gegen Widerstände im Betrieb zum Thema zu machen. Der Betriebsrat hat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein gleichberechtigtes Mitbestimmungsrecht, wie die Gefährdungsbeurteilung konkret aussehen und durchgeführt werden soll (z.B. welche Checklisten, wie werden die KollegInnen beteiligt, welche inhaltlichen Schwerpunkte sollen gesetzt werden). Er kann sein Mitbestimmungsrecht auch als Initiativrecht geltend machen und, wenn eine Einigung nicht zustande kommt, die Einrichtung einer Einigungsstelle betreiben.

Das Gesetz schreibt in § 5 ArbSchG kein bestimmtes Verfahren der Gefährdungsbeurteilung vor. Es gibt mittlerweile von den Berufsgenossenschaften, den Arbeitsschutzbehörden und sonstigen Anbietern eine Fülle von Verfahren, die den Betrieben Hilfestellung bei der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem ArbSchG bieten. Es kann eines dieser Verfahren ausgewählt werden. Möglich ist es auch, aus den verschiedenen Verfahren die Aspekte herauszuziehen, die für die betrieblichen Bedingungen passen oder z.B. mit Unterstützung der Sicherheitsfachkraft und des Betriebsarztes ein maßgeschneidertes Verfahren zu entwickeln. Entscheidend ist bei alledem, dass die realen Probleme im Betrieb tatsächlich in den Blick geraten und unter die Lupe genommen werden.

Es ist zu beachten, dass das Arbeitsschutzrecht heute mehr verlangt als den Schutz vor Unfällen oder "harten Gesundheitsgefahren" (z.B. durch Lärm oder Gefahrstoffe). Zu untersuchen sind auch psychische Belastungen und ihre Ursachen. Gründe psychischer Belastungen können z.B. in der Arbeitsorganisation, der Arbeitszeitgestaltung, der fortschreitenden Verdichtung der Arbeit, unklaren Führungsstrukturen, den sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz oder der unzureichenden Qualifikation von Beschäftigten liegen.

Die Gefährdungsbeurteilung kann auf diese Weise die Basis für eine gesundheitsverträgliche Organisations- und Personalentwicklung sein. § 5 ArbSchG verlangt vom Arbeitgeber, der seinen Betrieb "reorganisieren" will, diese Fragen bereits in der Planungsphase anzugehen und sich mit dem Betriebsrat insoweit zu verständigen.